Gendern (Teil 2): wie?
Gendern in Texten
Auch in diesem Monat beschäftigen wir uns wieder mit dem kontrovers diskutierten Thema Gendern. Als Einstieg hatten wir im letzten Post bereits einen kurzen Blick auf die verschiedenen Argumente geworfen, die für und gegen das Gendern vorgebracht werden. Heute möchte ich tiefer in die Materie einsteigen und verschiedene Möglichkeiten für das Gendern in Texten vorstellen. (Achtung: Wie auch beim letzten Mal geht es hier hauptsächlich um die Schriftsprache, nicht um beispielsweise die gesprochene „Gender-Gap“.)
Übersicht über verschiedene Vorgehensweisen
Für das Gendern gibt es im Deutschen inzwischen zahlreiche verschiedene Methoden, vom Genderstern über den Unterstrich und das Binnen-I bis zur ausführlichen Doppelnennung. Da stellt sich schnell die Frage, welche davon am beliebtesten sind bzw. welche von ihnen mehr und welche weniger den Textfluss stören?
Dabei handelt es sich zwar um ein sehr individuelles Thema, doch zeigen unter anderem empirische Studien, dass es zumindest in einigen Bereichen starke Tendenzen gibt. In einem Interview mit dem Podcast „Sozusagen“ des Bayerischen Rundfunks berichtet Sprachwissenschaftlerin Damaris Nübling beispielsweise von Untersuchungen, die zeigen, dass manche Zeichen für das Gendern den Lesefluss sehr stören, während andere das kaum tun. In Anlehnung an diese Studienergebnisse habe ich die verschiedenen Möglichkeiten, in Texten zu Gendern, in einer groben Reihenfolge vom störendsten bis zu am wenigsten ablenkenden Verfahren gegliedert.
Unterstrich
Eine der den Textfluss am meisten störenden Methoden für das Gendern ist der Unterstrich. Dabei werden männliche und weibliche Form in einem Wort durch einen Unterstrich miteinander kombiniert. Ein Beispiel:
Bauarbeiter_innen
Er war eine der frühesten Methoden, Gendergerechtigkeit in Texten umzusetzen. Praktisch daran ist zwar, dass er durch die Kombination zweier Wörter etwas kürzer ist als beispielsweise die Langform „Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter“, durch die entstehende optische Lücke wird aber auch der Lesefluss stark gestört. Deshalb wird der Unterstrich inzwischen nur noch selten eingesetzt.
Schrägstrich mit Bindestrich
Diese Methode funktioniert ähnlich wie das Gendern mit Unterstrich. Das obige Beispiel sähe also so aus:
Bauarbeiter/-innen
Auf den ersten Blick wirkt diese Version etwas kompakter als der Unterstrich, aber Probleme beim Lesefluss ergeben sich auch hier. Ein weiteres Problem, das bei diesen Formen auftritt, sind außerdem Kombinationen aus Wörtern mit Lautänderungen, wie sie beispielsweise bei den Formen Arzt und Ärztin auftreten. Sowohl „Ärzt/-in“ als auch „Arzt/-in“ lassen sich nicht grammatisch fehlerfrei auflösen.
Klammern
Eine inzwischen nur noch sehr selten anzutreffende Lösung sind Klammern:
Bauarbeiter(innen)
Sie wirkt zwar optisch weniger störend als beispielsweise ein Unterstrich, der das Wort stark auseinanderreißt, allerdings entsteht auch der Eindruck, dass der eingeklammerte Wortteil weniger wichtig ist. Die gewünschte Gleichberechtigung in der Nennung wird damit also nicht erzielt.
Stern
Auch beim sogenannten Gendersternchen werden zwei Wortformen zu einer kombiniert, in diesem Fall getrennt durch einen Stern:
Bauarbeiter*innen
Studien wiesen darauf hin, dass diese inzwischen sehr beliebte Methode den Lesefluss kaum stört. Deshalb verwundert es kaum, dass das Sternchen heute eine der beliebtesten Möglichkeiten für das Gendern in Texten ist.
Doppelpunkt
Laut Forschung ist auch der Doppelpunkt eine elegante, kurze und wenig störende Lösung für die kompakte Nennung der Geschlechterbezeichnungen:
Bauarbeiter:innen
Auch er erfreut sich heute großer Beliebtheit.
Binnen-I
Eine ebenfalls wenig aufdringliche Schreibweise mit Wortverkürzung ist das sogenannte Binnen-I, das auch als Binnenmajuskel (Majuskel = Großbuchstabe) bezeichnet wird. Mit dem Binnen-I sähe das bisher verwendete Beispiel wie folgt aus:
BauarbeiterInnen
Vorteil dieser Lösung ist, dass sie den Lesefluss kaum stört. Allerdings lässt es sich dadurch auch leicht „überlesen“, sodass bei Leserinnen und Lesern unterbewusst der Eindruck entstehen könnte, im Text werde ausschließlich von Frauen berichtet.
Ausführliches Ausschreiben
Eine der einfachsten Lösungen für das Gendern in Texten ist natürlich das Ausschreiben beider Formen:
Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter
Sie hat auch den Vorteil, dass bei Lautänderungen (siehe Beispiel zu Arzt und Ärztin oben) keine Probleme und ungrammatischen Konstruktionen entstehen. Andererseits nimmt sie aber auch viel Platz weg und verlängert Texte teils drastisch.
Geschlechtsneutrale Begriffe
Die Nennung geschlechtsneutraler Begriffe bietet sich besonders bei der Beschreibung gemischter Gruppen an. Praktisch sind beispielsweise Wörter wie „Mitglied“ oder „Staatsoberhaupt“, aber auch substantivierte Partizipien und Adjektive erfreuen sich immer größerer Beliebtheit (z. B. „Teilnehmende“ statt „Teilnehmerinnen und Teilnehmer“).
Umformulierungen
Letztendlich gibt es natürlich auch die Option, das Gendern ein Stück weit zu umschiffen, indem unterschiedliche Konstruktionen eingesetzt werden.
Direkte Anrede
In manchen Fällen bietet es sich an, Leserinnen und Leser direkt anzusprechen. So werden komplizierte Doppelnennungen geschickt umgangen. Hier ein kurzes Beispiel:
„Klicken Sie hier, um einen Antrag zu stellen.“ anstatt „Antragsteller*innen hier klicken“.
Umformulierung mit Adjektiven
Auch mithilfe von Adjektiven lassen sich abwechslungsreiche und kreative Lösungen finden. Ein sehr einfaches Beispiel:
„Rat eines Arztes/einer Ärztin“ wird zu „ärztlichem Rat“.
Passivkonstruktionen
Sparsam eingesetzt ist auch das Passiv eine praktische Lösung. Es ist allerdings mit Vorsicht zu genießen und muss kontextabhängig verwendet werden, da es Texte schnell unpersönlich wirken lässt. Hier ein kurzes Beispiel für eine Umformulierung im Passiv:
„Antragsteller müssen Folgendes beachten“ wird zu „Bei Antragstellung muss Folgendes beachtet werden“.
Relativsätze
Eine ebenfalls sehr kreative Lösung ist der Einsatz von Relativsätzen. Sie haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie Texte bei wechselndem Einsatz mit einfachen Hauptsatzkonstruktionen interessanter wirken lassen. Hier noch ein abschließendes Beispiel:
„Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden gebeten, ihre Mobiltelefone auszuschalten“ könnte anders auch als „alle, die teilnehmen, werden gebeten, ihre Mobiltelefone auszuschalten“ formuliert werden.
Wie aus dem obigen Beispiel schon zu erkennen ist, ist diese Lösung mit Vorsicht zu genießen. Sie führt leider schnell zur Entstehung langer und komplizierter Sätze, die das Lesen wieder erschweren.
Zum generischen Maskulinum
Im Deutschen kommt häufig das sogenannte „generische Maskulinum“ zum Einsatz. Hier wird nur die männliche Formen genannt und alle anderen Geschlechtsidentitäten gelten als mitgemeint. Diese Lösung ist allerdings inzwischen sehr umstritten, und das aus mehreren Gründen – unter anderem deshalb, weil es in den Köpfen der Menschen vornehmlich Bilder von männlichen Personen entstehen lässt und weibliche usw. selten bis gar nicht mitgedacht werden (siehe Argumentationsliste im letzten Blogbeitrag).
Daneben bin ich während meiner Recherchen für diesen Post aber auch noch auf ein weiteres, wichtiges Argument gestoßen: Das generische Maskulinum sorgt für Unklarheiten in der Kommunikation. Warum? Ganz einfach: Männer wissen immer, dass sie damit gemeint sind. Für Frauen und andere Geschlechtsidentitäten ist es aber nicht immer klar, ob sie in einer solchen Formulierung mitgemeint sind oder nicht. Das ergibt sich erst aus dem weiteren Kontext eines Textes.
Weitere Lektüre
Sollten Sie nun gerne noch tiefer in das Thema einsteigen wollen, kann ich Ihnen das Buch „Gendern – ganz einfach!“ des Duden-Verlags ans Herz legen. Es ist ein dünner Band mit vielen praktischen Beispielen, von denen ich mich auch für diesen Blogbeitrag habe inspirieren lassen.
Außerdem geht das Buch auch auf die Frage ein, ob Gendern denn überhaupt immer und in jedem Text sinnvoll ist? Und dieser möchte ich auch den nächsten Blogbeitrag widmen. Im Mai wird es also darum gehen, wann das Gendern in Texten wichtig ist und wann weniger.
(Auch den oben genannten Podcast kann ich übrigens sehr empfehlen. In der Folge „Wie sehr stört der Stern?“ greift Damaris Nübling im Interview die Frage auf, wie sehr das Gendern den Lesefluss unterbricht. Die Folge ist nur 13 Minuten lang und in der BR-Mediathek abrufbar: https://www.br.de/mediathek/podcast/sozusagen/wie-sehr-stoert-der-stern/1955937)
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