April 2024

Maschinelle Übersetzung und generative KI – Teil 3: die Einsatzszenarien

Was bisher geschah …

… ist, dass wir uns in den letzten beiden Beiträgen mit den Vor– und den Nachteilen von maschineller Übersetzung beschäftigt haben – und das teils sehr ausführlich. (Noch einmal Glückwunsch an alle, die sich durch vollständig durch den zweiten Beitrag dieser Kurzreihe gearbeitet haben!).

Nun, da wir also besser über die positiven und potenziell problematischen Seiten maschineller Übersetzung wissen, werfen wir einmal einen Blick darauf, wo sich maschinelle Übersetzung optimal einsetzen lässt. Und darauf, wo vielleicht der Mensch noch die Oberhand hat.

Die Einsatzszenarien

Maschinelle Übersetzung

Natürlich gibt es in unserer modernen, hochgradig vernetzten Welt viele Szenarien, in denen der Einsatz von maschineller Übersetzung nicht nur praktisch, sondern auch gerechtfertigt ist. Auch als ausgebildete Übersetzerin erkenne ich das gerne an. Werfen wir also einmal einen Blick auf sie:

Für den groben Überblick

Sagen wir einmal, Sie sind auf der Suche nach Informationen für Ihr nächstes Projekt und stoßen im Internet auf eine vielversprechende Website oder eine möglicherweise interessante wissenschaftliche Arbeit. Mithilfe maschineller Übersetzung können Sie in wenigen Sekunden herausfinden, ob die Informationen für Sie tatsächlich von Interesse sind oder nicht. Eine akkurate Übersetzung durch einen Menschen ist hier überflüssig.

Beispiele für Textarten sind: Drittwebsites, Fachartikel, wissenschaftliche Arbeiten usw.

Verfassen von Nachrichten

Sie schreiben häufig E-Mails auf Englisch oder einer anderen Fremdsprache? Sie können diese Sprache zwar recht gut, sind aber bei manchen Formulierungen nicht so hundertprozentig sattelfest? Dann hilft Ihnen ein gutes Übersetzungs-Tool sehr zuverlässig weiter. Und auch generative künstliche Intelligenz (KI) ist hier Ihr Freund: Geben Sie einfach eine kurze Beschreibung dessen ein, zu welchem Anlass die KI für Sie eine Nachricht schreiben soll, und innerhalb weniger Sekunden liegt Ihnen ein (sprachlich sehr guter) Entwurf vor.

Beispiele für Textarten sind: E-Mails, Social-Media-Direktnachrichten usw.

Kurzlebige Texte

Auch so mancher Text hat heute nur eine kurze Lebensdauer. Solche Texte können bequem mit maschineller Übersetzung in eine andere Sprache übertragen werden, besonders auch deswegen, weil es sich häufig im wenig kritische Inhalte handelt. Oft würde es sich bei ihnen auch gar nicht lohnen, in eine professionelle menschliche Übersetzung zu investieren.

Beispiele für Textarten sind: Kundenrezensionen usw.

Menschliche Übersetzung

Wie wir oben gesehen haben, hat maschinelle Übersetzung zahlreiche gerechtfertigte Einsatzmöglichkeiten. Doch manchmal braucht es einen menschlichen Schliff…

Marketing- und Werbematerialien

Ganz besonders gilt das für den Bereich Marketing und Werbung. Hier geht es darum, die Menschen gezielt anzusprechen, Emotionen auszulösen und zu einer bestimmten Handlung zu bewegen. Wie genau das am effektivsten erreicht werden kann, variiert allerdings von Kultur zu Kultur und somit von Sprache zu Sprache. Eine direkte Übersetzung durch eine Maschine ist somit deutlich weniger erfolgversprechend als diejenige eines erfahrenen Marketingübersetzers oder einer Transkreatorin*, die entsprechende Änderungen an den Texten vornehmen und sie somit für die Zielgruppe attraktiver gestalten.

Beispiele für Textarten sind: Websites, Broschüren, Produktbeschreibungen (die zum Kauf anregen sollen) usw.

Sicherheit und Gesundheit

Wenn Texte einen Einfluss auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen haben und fehlerhafte Übersetzungen potenziell Leib und Leben gefährden können, ist ein menschlicher Touch gefragt. Menschliche Übersetzerinnen und Übersetzer können potenzielle Zweideutigkeiten aufklären, erkennen Unstimmigkeiten in Texten und sind sich als Expertinnen und Experten auf dem Gebiet auch verschiedener Vorschriften bewusst. Gerade in der medizinischen Versorgung sollte man sich also auf den Menschen verlassen.

Beispiele für Textarten sind: Patientenbefunde, Fragebögen, Sicherheitshinweise usw.

Kulturbezüge

Auch kulturelle Anspielungen verstecken sich häufig in Texten, oft ohne dass uns das auffällt. Was uns als Leserinnen und Leser aber anspricht, kann für solche aus anderen Kulturen aber unter Umständen verwirrend oder sogar abschreckend sein. Auch hier ist wieder das Eingreifen eines Menschen nötig, der kulturelle Entsprechungen findet, die für das Zielpublikum ansprechend sind.

Beispiele für Textarten sind: Blogs, Texte mit Verweise auf Themen wie Sport, Fernsehsendungen oder Ähnliches, Fernsehsendungen/-serien/Filme usw.

Hybridszenarien

Zwischen den beiden Extremen gibt es aber auch noch einen Mittelweg, der inzwischen von vielen Übersetzungsanbietern beschritten wird: Die Überarbeitung (das sognannte „Post-Editing“) maschineller Übersetzungen. An welcher Stelle könnte man also ein Tool Texte vorübersetzen und anschließend durch einen Menschen prüfen lassen?

Technische Unterlagen

Technische Unterlagen werden häufig nach einem bestimmten „Schema F“ erstellt und eignen sich somit hervorragend für die maschinelle Übersetzung – denn Kreativität und Kulturkenntnisse sind hier wenig von Interesse. Allerdings sind in ihnen auch wichtige Informationen enthalten, die bei Falschübersetzung potenziell zu Gefährdungen führen könnten. Deshalb ist eine genaue Prüfung durch menschliche Post-Editoren unumgänglich.

Beispiele für Textarten sind: Bedienungsanleitungen, technische Dokumentation usw.

Standardisierte Texte

Allgemein könnte man sagen, dass sich alle Texte, die nach einer bestimmten Formel oder nach einem bestimmten Standardformat erstellt werden und bei denen kein kreativer Ansatz gefragt ist, für die maschinelle Übersetzung geeignet sind. Umfassen sie jedoch sicherheitsrelevante Aspekte, ist zwingend die Prüfung durch einen Menschen notwendig.

Beispiele für Textarten sind: Materialdatenblätter, technische Produktbeschreibungen usw.

Maschinelle Übersetzung oder generative KI – was ist besser?

Mit dem Aufkommen der generativen künstlichen Intelligenz (KI) stellt sich vielen Menschen möglicherweise auch die Frage: Wer kann das Übersetzen besser, maschinelle Übersetzungs-Tools oder generative KI?

Da ich detaillierte technische Erklärungen an dieser Stelle gerne vermeiden möchte, hier nur die kurze, knackige Antwort: Ich persönlich würde in jedem Fall neuronale maschinelle Übersetzung der KI vorziehen. Einfach aus dem Grund, weil die generative KI zwar mit verschiedenen Prompts durchaus interessante Übersetzungsergebnisse liefert, aber trotzdem das Risiko des „Halluzinierens“ besteht, bei dem die KI Text erfindet, der eigentlich gar nicht dort steht. Tools für maschinelle Übersetzung wurden jedoch eigens für diesen Zweck programmiert und trainiert und liefern etwas zuverlässigere Ergebisse.

Fazit zum Ende der Reihe

Zum Schluss dieser Reihe lässt sich sagen, dass maschinelle Übersetzung durchaus ihre Daseinsberechtigung hat. In vielen Bereichen lässt sie sich bereits gut einsetzen, wenn auch nicht unüberwacht.

Hier noch eine kurze Hilfestellung, wenn Sie das nächste Mal überlegen, einen Text maschinell zu übersetzen:

  • Sind sensible Daten oder Interna enthalten?
  • Spielen kulturelle Bezüge eine große Rolle?
  • Möchten Sie mit der Übersetzung eine bestimmte Zielgruppe zu einer Handlung bewegen oder sie zum Kauf eines Produkts motivieren?
  • Möchten Sie sich mit dem Text als Marke präsentieren?
  • Bestünde bei einem Missverständnis Verletzungsgefahr?

Wenn Sie eine oder mehr dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, sollten Sie sich an menschliche Übersetzerinnen und Übersetzer wenden. Wenn nicht, können Sie es mit maschineller Übersetzung versuchen – aber lassen Sie zur Sicherheit noch einmal durch Muttersprachler oder Post-Editorinnen prüfen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Und zu guter Letzt sind wir noch nicht ganz am Ende – mit dem Aufkommen generativer KI breitet sich nämlich auch langsam die Wahrnehmung aus, dass Texterinnen und Copywriter inzwischen auch überflüssig sind. Doch ist das wirklich so? Das sehen wir uns demnächst genauer an.

 

* Transkreation ist eine Mischung aus Übersetzung (Translation) und Texten (Kreation), die besonders im Marketingbereich stark gefragt ist. Hier ist der Ursprungstext eher eine Hilfestellung für die Sprachdienstleister, die dann anhand eines Briefings und dieses Ursprungstexts einen ansprechenden Text in der gewünschten Sprache erstellen.

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