Gendern (Teil 3): wann?
Ist Gendern immer ein Muss?
In den Artikeln der letzten Monate haben wir uns ausführlich mit dem Thema Gendern befasst –unter anderem mit dem Für und Wider und mit verschiedenen Vorgehensweisen. Gendern spaltet die Gesellschaft, die einen sind Befürworter, andere vehement dagegen. Einen Mittelweg scheint es kaum zu geben.
Oder vielleicht doch? Sehen wir uns doch einmal an, ob es eine Antwort auf die Frage gibt: Muss Gendern wirklich immer sein?
Die Textsorte gibt den Ausschlag
Pflicht ist das Gendern, solange Sie nicht in einer Behörde angestellt und an entsprechende Vorschriften gebunden sind, nicht. Die Entscheidung, ob Sie es tun möchten oder nicht, liegt also bei Ihnen bzw. Ihrem Unternehmen.
Ob es aber empfehlenswert wäre, zu gendern, hängt stark von der Textsorte ab. Sehen wir uns einmal ein paar Beispiele an:
Extrembeispiel: Romane oder Geschichten
Hierbei handelt es sich zwar höchstwahrscheinlich um kein sehr praxisnahes Beispiel für Sie, es veranschaulicht aber wunderbar, dass Gendern nicht immer notwendig ist: In Romanen oder Geschichten steht die Handlung im Mittelpunkt und es ist extrem wichtig, dass sich ein Text gut liest. Gendern ist in diesem Fall also unwichtig bis sogar hinderlich, weil es sich negativ auf den Lesefluss auswirken würde. Welche Geschlechter oder Geschlechtsidentitäten in Gruppen vertreten sind, spielt meist keine große Rolle.
Praxisnäher: Blogs und Website-Texte
Hier müssen wir ein wenig unterscheiden: Websites sprechen potenzielle Kundinnen und Kunden direkt an, während das bei Blogs nicht zwingend der Fall ist.
Zielt ein Blog nur darauf ab, über ein bestimmtes Thema zu informieren, kann auf das Gendern meist verzichtet werden – es wird niemand direkt angesprochen. Auf Websites hingegen wäre es empfehlenswert, möglichst alle Leserinnen und Leser einzubeziehen, da Unternehmen in den meisten Fällen Kundinnen und Kunden in allen Bevölkerungsgruppen anwerben möchten.
Es gilt aber auch: in der Kürze liegt die Würze! Die meisten Menschen möchten im Internet nicht mit einer Textwand konfrontiert werden; es gilt daher, zwischen möglichst knackigen, aber auch inklusiven Formulierungen abzuwägen.
Direkte Kommunikation: E-Mails und Nachrichten
Bei einer direkten Kommunikation mit anderen Menschen ist es unglaublich wichtig, potenzielle Kundinnen und Kunden nicht vor den Kopf zu stoßen, indem sie automatisch in eine Schublade eingeordnet oder, noch schlimmer, alle als generisch männlich interpretiert werden (siehe Abschnitt zum „generischen Maskulinum“ im letzten Beitrag). Gendern ist hier also unverzichtbar! Wenn Sie eine Kundin anschreiben, sprechen Sie sie nicht als „der Kunde“ an!
Wenn Sie von einer Person kontaktiert werden, ist deren Geschlecht oder Geschlechtsidentität manchmal nicht klar herauslesbar. Hier können Sie sich mittels Internetsuche, E-Mail-Signatur der anfragenden Person oder Social-Media-Profilen einen Fingerzeig holen. Die geben oft Aufschluss darüber, welcher Geschlechtsidentität sich eine Person zugehörig fühlt.
Sollten Sie jedoch keine Angaben finden können, versuchen Sie so neutral wie möglich zu bleiben oder recherchieren Sie, welchem Geschlecht der Vorname der Person meist zugeordnet wird.
Technische Unterlagen: Handbücher, Anweisungen und Dokumentation
Gendern ist in technischen Unterlagen im Deutschen nur selten ein Thema, da diese meist im Passiv formuliert werden und somit keine direkt handelnde Person bezeichnen. Werden Anwenderinnen und Anwender doch einmal direkt angesprochen, kann das über eine direkte Aufforderung geschehen, beispielsweise im Stil: „Kontaktieren Sie uns.“
Eine Ausnahme stellen hier oft Softwarehandbücher dar. In Anlehnung an den englischen Anweisungsstil sind diese oft im Aktiv verfasst und geben Nutzerinnen und Nutzern direkte Anweisungen. In diesem Fall gibt es zwei Lösungen:
Entweder kann auch hier eine direkte Befehlsform verwendet werden: „Klicken Sie auf diese Schaltfläche.“
Oder Sie könnten sich für das klassische generische Maskulinum entscheiden und der Einleitung des Dokuments einen Hinweis darauf hinzufügen, dass im Folgenden alle maskulinen Formen für alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten stehen. Ein Ausschreiben beider Formen oder die Arbeit mit Gendersternchen usw. würde ich persönlich in diesem Fall nicht empfehlen, da sie Anweisungen unübersichtlich machen könnten.
Fazit: Es kommt darauf an!
Gendern – ja oder nein? Die Antwort auf diese Frage ist extrem situationsabhängig, wie Sie an den obigen Beispielen sehen.
Ob Sie gendern oder nicht, bleibt Ihnen überlassen. Wichtig ist nur, dass eine bindende Entscheidung für die Firma getroffen wird, um eine Einheitlichkeit aller Dokumente und Texte (innerhalb einer Textsorte) zu gewährleisten. Halten Sie diese Entscheidung unbedingt in einem Styleguide fest, damit auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Bedarf jederzeit nachschlagen können.
Sie haben noch Fragen zum Gendern oder benötigen Unterstützung bei Themen rund um Sprache, Styleguide, Texten und mehr? Dann können Sie mich gerne kontaktieren – ich freue mich auf Ihre Nachricht!
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